
Das eingemauerte Herz
Wenn ein Ritter
endlich sein Schwert zieht
Die folgenden Zeilen beschreiben in einer gekürzter Fassung die wichtigsten Szenarien, welche ich gemeinsam mit meinem Klienten während eines wirklich aussergewönlich intensiven Coachings durchleben durfte.
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Personen:
Therapeut (T) - Daniel
Klient (K) - Thomas (Name geändert)
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Thema:
Angst vor Nähe - Intimität
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Setting:
Mein Praxisraum. Mir gegenüber sitzt Thomas, ein junger attraktiver Mann. Sein Gesicht, misstrauisch, die Schultern angespannt, die Hände fast zu Fäusten geballt.
Sektion 1: Ankunft und das Dilemma der Nähe
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Erklärung der Technik:
In der ersten Phase des Coachings wird das Anliegen des Klienten präzise erfasst und eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut (Rapport). Dabei wird die Ambivalenz des Klienten – der Wunsch nach Nähe bei gleichzeitiger Angst davor – offen angesprochen, um die inneren Konflikte sichtbar zu machen und die Grundlage für Veränderung zu schaffen.
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Psychologische Begründung (westlich):
Der Aufbau von Rapport ist essenziell, um eine sichere Bindung zu schaffen, die es dem Klienten ermöglicht, sich zu öffnen. Die direkte Ansprache der Ambivalenz entspricht der kognitiven Verhaltenstherapie, die innere Widersprüche bewusst macht, um sie zu bearbeiten. Die Exploration familiärer Hintergründe dient der Aufdeckung unbewusster Bindungsmuster, die heute das Verhalten prägen (Bindungstheorie, psychodynamische Ansätze).
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Taoismus und Yoga wird die Akzeptanz des gegenwärtigen Zustands als erster Schritt zur Transformation gesehen. Die bewusste Wahrnehmung der inneren Gegensätze (Yin und Yang) entspricht dem Erkennen der Dualität im Selbst. Die vertrauensvolle Beziehung spiegelt das Prinzip von "Ahimsa" (Gewaltlosigkeit) und "Satsang" (Gemeinschaft der Wahrheit), die Heilung durch ehrliche Begegnung ermöglichen.
T: Hallo Thomas, danke, dass du den Weg hierher gefunden hast. Erzähl doch mal, was dich bewegt, was dich hierherführt.
K: (Zögert) Puh, wo soll ich anfangen? Meine Freundin hat mich mehr oder weniger geschickt. Sie... wir... es läuft nicht gut. Besonders im Bett. Aber es ist nicht nur der Sex. Es ist... Nähe allgemein. Ich will es ja, wirklich! Ich sehne mich danach, gehalten zu werden, Zärtlichkeit zu spüren... aber wenn es darauf ankommt, mache ich dicht. Es ist wie eine Mauer, die hochfährt. Ich hasse es, aber ich kann nicht anders.
T: Das klingt nach einem schmerzhaften inneren Konflikt. Einerseits die tiefe Sehnsucht, andererseits diese unsichtbare Barriere. Und du sagst, deine Freundin leidet auch darunter?
K: Ja, total. Sie versteht es nicht. Denkt, es liegt an ihr. Das tut mir zusätzlich weh. Ich weiss nicht, warum ich so bin.
T: Erzähl mir ein wenig über deine Eltern.
K: (Erstaunt, widerspennstig) Wieso willst du das wissen? Was hat das mit meinem Problem zu tun?
T: Vielleicht gar nichts, vielleicht alles! Das wissen wir jetzt noch nicht. Bitte vertraue mir, ...ich weiss, was ich hier tue, ich will dir wirklich von ganzem Herzen helfen, Thomas... doch dafür brauche ich deine Einwilligung... deine Unterstützung.
K: (Zögerlich) Gut... ok... (Pause) ...meine Mutter... mit ihr war alles okay, glaube ich. Aber mein Vater... das war immer schwierig. Sehr dominant, laut, hat oft getrunken. Feingefühl war nicht so seins. Aber was hat das mit meiner Angst vor Nähe zu tun?
T: Das ist eine sehr gute Frage. Manchmal liegen die Wurzeln für heutige Muster in frühen Beziehungserfahrungen, besonders zu prägenden Figuren wie den Eltern. Es geht nicht darum, Schuld zuzuweisen, sondern zu verstehen, welche unbewussten "Programme" vielleicht noch aktiv sind und dich heute blockieren.
K: (leicht aufbrausend) Du willst mit mir über meine Eltern sprechen? Ich habe das Problem!
T: (Ernst, direkt) Thomas! Lässt du mich bitte meine Arbeit machen! Und nein... ich will nicht über deine Eltern sprechen. Ich brauche diese Informationen, um etwas über dich und dein Leben zu erfahren. Was meinst du, wie ich sonst einen Plan entwerfen soll, um dir zu helfen?
K: (Erschrocken, feuchte Augen) ...Sorry.
T: (kurzes Durchatmen) Es ist ok Thomas, nicht weiter schlimm. Das ist alle Teil unserer Zusammenarbeit und wieder eine sehr wertvolle Information für mich. Erkennst du, dass deine Angst vor Nähe, weitaus grössere Wellen schlägt, als du bisher dachtest? Du fürchtest dich nicht nur vor Intimität mit deiner Freundin, sondern auch ausserhalb eurer Beziehung. Du hast generell Angst, dich zu öffnen und verletzlich zu zeigen.
K: (Weinend, zitternd) Ja verdammt! ...Ich will nicht so sein... es macht mich fertig.
T: (Wir lassen die Energie verpuffen, Thomas beruhigt sich wieder) Das war stark von dir Thomas! Weisst du, warum? (Immer noch ein wenig aufgewühlt) Weil du dich mir gegenüber geöffnet hast! Weil du ehrlich zu mir warst... mir deine wahren Gefühle offenbart hast... den tiefen Schmerz in deinem Herzen... dass, was dich so fertig macht... dich und die Beziehung zu deiner Freundin.
K: (Schweigend, nachdenklich)
T: Sag mir Thomas, ... ganz ehrlich, hat das nicht irgendwie gutgetan, diese Explosion, diese Entladung deiner aufgestauten Emotionen?
K: (Zögernd) Ja... doch... irgendwie schon. Aber ich spüre immer noch Druck.
T: Möchtest du das loswerden Thomas?
K: (fast flehend) Ja, ...bitte!
T: Bist du bereit, mir zu vertrauen, Thomas? Bist du bereit, dich auf den Prozess einzulassen und mit mir zusammenzuarbeiten?
K: (Seufzt tief) Ich muss wohl. So kann es nicht weitergehen. Ja, ich bin bereit.
Sektion 2: Coaching Ansatz und Einstieg in die innere Welt
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Erklärung der Technik:
Nach der ersten emotionalen Öffnung wird dem Klienten die Logik des Coaching-Ansatzes erklärt. Dies dient sowohl der Stabilisierung als auch der Psychoedukation: Emotionale Blockaden werden als Schutzmechanismen verstanden, die durch achtsame Erforschung und kreative Methoden wie Meditation und Parts Therapy aufgelöst werden können.
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Psychologische Begründung (westlich):
Psychoedukation erhöht das Verständnis für eigene Symptome und fördert die Selbstwirksamkeit. Die Arbeit mit inneren Anteilen (Parts Therapy) basiert auf der Annahme, dass das Selbst aus verschiedenen subpersönlichen Teilen besteht, die integriert werden müssen (Ego-State-Therapie). Achtsamkeitstechniken helfen, emotionale Reaktivität zu reduzieren und fördern die Emotionsregulation.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Yoga und der Meditation wird das Beobachten der inneren Landschaft als Weg zur Selbsterkenntnis und Befreiung praktiziert ("Svadhyaya" – Selbststudium). Die Parts Therapy ähnelt der Arbeit mit den "Koshas" (Schichten des Selbst) im Vedanta, wo verschiedene Ebenen von Körper, Geist und Bewusstsein erkannt und harmonisiert werden. Die innere Achtsamkeit entspricht dem Tao-Prinzip des "Wu Wei" (Handeln durch Nicht-Handeln), das natürliche Heilung fördert.
T: Also, Thomas... lass mich dir erklären, was wir jetzt zusammen tun werden. Mein Coaching ist wie ein Schlüssel... ein Weg, um die Verbindung zu deiner inneren Weisheit wiederherzustellen – zu dieser Stimme deines Herzens... die untergeht, verdrängt wird... jedes Mal, wenn es intim wird... wenn starke Emotionen im Spiel sind. Wir betrachten deine Angst... deine "Mauer", wie du sie benannt hast nicht als Feind, sondern als Freund... als Hinweisgeber. Vielleicht schützt diese Mauer einen verletzten Teil von dir. Wir werden gemeinsam deine innere Landschaft erkunden, mit Achtsamkeit und vielleicht auch mit kreativen Methoden, um zu verstehen, was dieser Teil braucht... um sich sicher zu fühlen und wieder Vertrauen zu fassen. Stell dir vor, wir nutzen das "blühende Schwert": die sanfte Offenheit, alles anzuschauen, was da ist, verbunden mit der klaren Stärke und Entschlossenheit, deiner Wahrheit zu folgen. Es geht darum, die Stimme deines Kopfes... dein Denken etwas leiser zu machen und dafür mehr ins Fühlen zu kommen... und diesen Gefühlen... deinem Herzen... deinem inneren Kompass zu vertrauen.
K: (Zögerlich) Das klingt ganz anders als das, was ich erwartet habe. Nicht nur Probleme lösen, sondern... tiefer gehen? ...Ok. Das mit dem inneren Kompass, dem Herzen folgen... das spricht mich irgendwie an. Aber... du weisst, ich habe es nicht so mit den Emotionen... die Mauer... du weisst schon.
T: (Bestimmt) Ja, Thomas ich verstehe. Besser als du denkst.
K: (Überrascht) Wie meinst du das?
T: Denkst du wirklich, ich weiss nicht, wie schwer es sein kann, seine Gefühle, seine Emotionen zuzulassen? ...Weisst du, Thomas... mir ist vollkommen Bewusst, wie ich... mit meinem Körper... meiner Erscheinung... meinem Charakter, auf andere wirke. Es mag den Eindruck erwecken, ich sei immer Herr der Lage... doch das täuscht... das täuscht gewaltig.
K: (Nur erstaunen im Gesicht)
T: Denkst du wirklich, Thomas... dass dieser scheinbar harte Kerl vor dir noch nie geweint hat, ...dass es ihn noch nie zerrissen hat. Gaube mir bitte, ... ich habe gelitten wie die Sau auf der Schlachtbank! Jahrzehnte lang. Ich bin so tief gefallen, dass ich ernsthaft daran dachte mir das Leben zu nehmen, Thomas!
K: (Augen, so gross wie Äpfel)
T: Doch es geht hier nicht um mich, Thomas... es geht um dich! Nur eines will ich dir wirklich verständlich machen... die besten Heiler... von mir aus nenn sie Therapeuten oder Coaches... sind die, die selber gelitten haben. Sie kennen den Schmerz ihrer Klienten... sie wissen wie man in den Sog dieses Abwärtsstrudels gerät... doch, und das ist das allerwichtigste, was ich dir ans Herz legen will... sie wissen auch, wie man da wieder rauskommt!
K: (Perplex) Das hätte ich jetzt nicht erwartet!
T: Tja, Thomas, das Leben ist voller Überraschungen, nicht wahr? Ich wäre nicht die Person, die ich heute bin, ohne diesen oft qualvollen Weg. Doch er hat mich stark gemacht... sogar ein bisschen Weise... und du, lieber Thomas... trägst dieselbe Kraft in dir. Ich stehe dir zur Seite, ...was bitte soll uns zwei daran hindern, diese Kraft in dir freizusetzen? Wollen wir loslegen?
K: (Tiefer Atemzug) Ok, ... fangen wir an!
T: Gratuliere zu dieser Entscheidung! Du wirst sehen, es ist einfacher, als du denkst. Mach es dir bequem, Thomas. Schliess die Augen, wenn du magst, und lass uns gemeinsam einen Moment der Stille finden.
K: (Schliesst bereitwillig die Augen)
T: Richte deine Aufmerksamkeit nach innen... auf deinen Atem... Nimm wahr, wie der Atem kommt und geht... ohne ihn zu verändern... Einfach nur lauschen... (Pause) ...Und nun lade das Gefühl dieser Mauer, dieser Blockade, ein, sich zu zeigen. Wo in deinem Körper spürst du es am deutlichsten? Nimm es wahr, ganz achtsam, ohne es zu bewerten. Wie ein Forscher, der neugierig seine innere Landschaft erkundet.
K: (Atmet ruhiger) Ein Druck auf der Brust. Und Kälte im Bauchbereich. Es zieht sich alles zusammen.
T: Gut. Bleib mit deiner liebevollen Aufmerksamkeit bei diesem Druck, dieser Kälte. Lass uns lauschen, welche Geschichte dieses Gefühl erzählen möchte.
Sektion 3: Begegnung mit der Angst – Bilder der Seele
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Erklärung der Technik:
Die Visualisierung innerer Bilder ("Bilder der Seele") wird genutzt, um abstrakte Gefühle zu konkretisieren und einen Dialog mit inneren Anteilen zu ermöglichen. Durch Externalisierung wird die Angst als eigenständige Gestalt erfahrbar, was den Zugang zu ihrer Botschaft erleichtert und die emotionale Verarbeitung unterstützt.
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Psychologische Begründung (westlich):
Die Externalisierung von Gefühlen ist ein zentraler Bestandteil der systemischen Therapie und der Gestalttherapie. Sie ermöglicht Distanz und neue Perspektiven auf belastende Emotionen. Die Arbeit mit Symbolen und inneren Bildern fördert die Integration unbewusster Inhalte und unterstützt die emotionale Regulation.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Taoismus und der Kampfkunst wird die Visualisierung als Werkzeug zur Bewusstwerdung und Transformation von Energie ("Qi") genutzt. Die symbolische Gestalt entspricht dem archetypischen Ausdruck im Yoga und Hinduismus, wo innere Kräfte personifiziert werden, um sie zu verstehen und zu harmonisieren. Der Dialog mit dem inneren Anteil fördert das Gleichgewicht von Yin und Yang im Inneren.
T: Nun stell dir bitte vor, dieser Druck, diese Kälte... nimmt eine Gestalt an. Ganz frei, lass einfach ein Bild aus deiner inneren Welt auftauchen. Vielleicht eine Comic Figur.. egal. Es muss keinen logischen Sinn ergeben. Vertraue einfach deiner Intuition. Was zeigt sich? Nimm einfach das erste Bild, das auftaucht.
K: (Pause, dann stirnrunzelnd) Seltsam... ein Schlumpf.
T: Ein Schlumpf. Wunderbar, interessant. Innere Bilder sprechen oft in Symbolen. Schau ihn dir genau an. Ist es ein bestimmter Schlumpf? Was strahlt er aus?
K: (Kurzes, überraschtes Lachen) Es ist Papa Schlumpf. Mit Bart und roter Mütze. Er steht einfach nur da und schaut mich an.
T: Ok, er schaut dich an. Wie schaut er dich an.. und vor allem, ... wie fühlst du dich dabei?
K: Sein Blick wirkt streng... fast anklagend. Ich fühle mich nicht wohl dabei. Ich spüre die Mauer... den Druck... du weisst schon.
T: Okay. Papa Schlumpf als Symbol für diesen Teil in dir, der die Mauer hochzieht. Lass uns versuchen, mit ihm in Kontakt zu treten. Frag ihn aus deinem Herzen: Was ist seine Sorge? Wovor möchte er dich beschützen, wenn es um Nähe, um Intimität geht? Frag ihn, ...warum bist du hier? Warum machst du mir Angst vor Nähe? Lass die Antwort einfach kommen...
Sektion 4: Der Schlumpf, der Schock und die Enthüllung
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Erklärung der Technik:
Die intuitive Weisheit des Klienten führt durch die Visualisierung zu einer unerwarteten emotionalen Reaktion, die eine tief vergrabene traumatische Erinnerung aufdeckt. Diese bewusste Konfrontation mit dem Trauma ist ein entscheidender Schritt zur Heilung und Neubewertung der eigenen Geschichte.
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Psychologische Begründung (westlich):
Die Konfrontation mit traumatischen Erinnerungen in einem sicheren Rahmen ist zentral in der Traumatherapie (z.Bsp. EMDR, Somatic Experiencing). Das Bewusstmachen verdrängter Erlebnisse ermöglicht die kognitive und emotionale Verarbeitung, was zur Reduktion von Symptomen und zur Integration führt.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Yoga und der tantrischen Tradition wird das Annehmen und Durchleben von Schmerz als notwendiger Prozess zur Befreiung ("Moksha") gesehen. Die Offenbarung des Traumas entspricht dem "Samskara"-Auflösen, der Reinigung von karmischen Prägungen. Die bewusste Begegnung mit dem Schatten ist ein Schritt zur Einheit von Licht und Dunkel im Selbst.
K: (Stille, dann plötzlich ein Zucken) Er... er sagt nichts. Er... er greift sich zwischen die Beine! An die Eier! (Plötzlich, seine Stimme wird laut, voller Ekel und Wut) Dieses Arschloch! Dieser Wixer! Ich hab's ja schon immer geahnt! Das Schwein!
T: (Selbst ein bisschen schockiert, aber präsent) Thomas, was ist los? Was passiert gerade? Was hat diese Geste ausgelöst? Schnell, erzähl!
K: (Aufgewühlt, Tränen der Wut und des Schmerzes schiessen ihm in die Augen) Die Party! Bei uns zu Hause... ich war klein, vielleicht fünf. Mein Vater sass im Garten mit seinen Saufkumpanen. Bier, Lachen, blöde Sprüche. Ich wollte dazu. Ich wollte... meinen Papa spüren... einfach dabei sein. Ich ging hin... Und er... er sieht mich und grölt zu seinen Kumpels: "Schaut mal, mein ganzer Stolz!" Und dann... dann zieht er mir vor allen die Hose runter! Einfach so! Ich stand da... nackt... mein Pimmel... Alle haben geglotzt und gelacht. Und er sagt: "Schaut mal, das ist ein Mann!" ... Dieses Schwein!
T: (Lasse die Worte wirken) Das ist ja furchtbar. Eine tiefe Demütigung. Eine totale Entblössung, wo du Nähe und Anerkennung gesucht hast.
K: (Schnaubend, schwitzend) Dieses Arschloch!
Sektion 5: Katharsis – Mut zur Wut
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Erklärung der Technik:
Nach der Traumaoffenbarung wird die aufgestaute Wut als berechtigte und notwendige Energie anerkannt und in einem sicheren Rahmen körperlich und stimmlich ausgedrückt (Katharsis). Dies dient der Entladung und der Wiederherstellung des emotionalen Gleichgewichts.
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Psychologische Begründung (westlich):
Katharsis ist ein bewährtes Verfahren in der Psychotherapie, um unterdrückte Emotionen zu lösen und die psychische Gesundheit zu fördern. Die körperliche Ausdrucksform unterstützt die somatische Verarbeitung von Trauma und reduziert Spannungen, was die Resilienz stärkt.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
In der Kampfkunst und im Taoismus wird die kontrollierte Freisetzung von Energie ("Qi Gong") als Weg zur Heilung und Selbstbeherrschung praktiziert. Die Wut wird nicht unterdrückt, sondern transformiert und kanalisiert, um innere Harmonie und Stärke zu fördern. Der Mut zur Wut ist Teil des "Kriegerpfades" im Yoga und Zen.
T: Diese Wut, Thomas... die ist berechtigt! Die ist so lange unterdrückt worden. Sie muss raus! Sie gehört zu ihm... nicht zu dir... sondern zu dem, was er dir angetan hat! Steh auf, Thomas... erhebe dich! Stell dich vor den Sessel, da sitzt dein Vater! Keine Hemmung, Thomas... stell es dir vor! Dein Vater von damals! Er hat dir gerade die Hosen runtergezogen, fühle den Schmerz, hör wie sie lachen... Schluss damit! Zeig ihm deine Wut! Lass alles raus! Schlag drauf!
K: (Schnaubt, schwitz, aber zögert)
T: Komm Thomas, das ist der Moment deiner Befreiung! Jetzt oder nie! Zieh das Schwert! Schreie! Schimpfe! Hau drauf! Tritt drauf! ...Scheissegal, du hast meine Erlaubnis!
K: (Stockt kurz, dann bricht es aus ihm heraus. Er schlägt mit geballten Fäusten auf den Sessel ein) Du Arschloch! Wie konntest du nur! Ich hab dich gehasst dafür! Gehasst! (Er tritt gegen den Sessel, Holz knirscht!)
T: Ja, Thomas! Mehr! Gib ihm alles zurück! All den Schmerz, all die Scham, all die Angst vor Nähe, die du deswegen mit dir herumschleppst! Befreie dich davon! Schrei es raus!
K: (Schreit seine Wut heraus, schlägt weiter, ...dann ein Ausruf!) Es reicht nicht!
T: Was reicht nicht, Thomas?
K: Das ist nicht hart genug!
T: Kein Problem! Hier nimm dieses Buch! (Reiche ihm meine Schreibunterlage. Thomas schlägt das Buch mit voller Kraft auf den Sessel, das mir die Ohren schlackern)
K: Das ist für meine Angst! Du Scheisskerl! (Baaamm!) ...Das ist für meine kaputte Beziehung! Du Arschloch! (Baaamm!) ...Das ist dafür, dass ich mich immer falsch gefühlt habe! Du elender Wixer! (Baaamm!)
T: (Mein Therapiesessel sichtlich malträtiert) Ja! Lass es raus! Zeige es ihm! Scheissegal, ob der Sessel kaputtgeht, ich kaufe einen Neuen! Hier geht es um DICH! Vergiss den verdammten Sessel! Es ist dein Vater, dem du das jetzt zeigst! Gib ihm alles zurück!
K: (Schlägt und schreit, gefühlte 10 Minuten, bis er erschöpft zusammenbricht, schluchzend, aber auch irgendwie erleichtert) Wow! ...Thomas, was für eine Energie! Unglaublich! ... Ich habe so mitgefiebert, ich bin selbst ganz aufgewühlt!
Sektion 6: Erkenntnis und Neuordnung (Integration)
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Erklärung der Technik:
Nach der emotionalen Entladung folgt die kognitive und emotionale Integration. Der Klient erkennt den Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart, was die Grundlage für die Veränderung innerer Überzeugungen und Verhaltensmuster bildet.
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Psychologische Begründung (westlich):
Integration ist ein zentraler Prozess in der kognitiven Verhaltenstherapie und der psychodynamischen Therapie. Das Verstehen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen fördert die Neubewertung dysfunktionaler Glaubenssätze und unterstützt nachhaltige Verhaltensänderungen.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Vedanta und Yoga ist Integration das Erkennen der Einheit von Ursache und Wirkung ("Karma Yoga"). Die bewusste Annahme der eigenen Geschichte führt zur Befreiung von alten Mustern und zur Entwicklung von "Sattva" (Klarheit und Harmonie). Die Neuordnung entspricht dem "Aufstieg" auf dem spirituellen Pfad.
T: (Thomas, nach einer ganzen Ladung Taschentücher und schweissgebadet) Bitte setz dich wieder hin, Thomas. Schliesse kurz die Augen, wenn es sich richtig anfühlt und atme. ...Konzentriere dich ganz auf meine Stimme und deinen Atem. (Es folgen einige Minuten der Stille, durchdrungen von entspannenden Suggestionen ... die uns beiden sichtlich guttun ;-)
K: Das war Wahnsinn! Purer Wahnsinn!
T: Ja, ...vielleicht ...Ein wenig! Aber ich bin froh, das das endlich aus dir raus ist. Und vor allem, dass es bei mir in der Praxis, in diesem geschützten Rahmen passiert ist.
K: Auweia! Denkst du, so was hätte mir auch zu Hause passieren können? ...Mit meiner Freundin?
T: Jetzt, mit Sicherheit nicht mehr! ...Aber wenn wir uns nicht begegnet wären... wenn du nicht den Mut in dir gefunden hättest dich mir anzuvertrauen... wer weiss? Wahrscheinlich nicht morgen, auch nicht übermorgen... aber vielleicht in ein paar Monaten... vielleicht erst in ein paar Jahren oder Jahrzehnten. Wer kann schon genau wissen, was aus dir geworden wäre... wenn dieses Monster die Zeit bekommen hätte, dich langsam von innen her aufzufressen?
K: (Stockt, schluckt sichtlich betroffen)
T: Alles gut. Verstehe bitte nur, das mit solch einer Kraft auch eine grosse Verantwortung einhergehen muss.
K: Ich verstehe.
T: Gut. Und was, ausser dieser Verantwortung hast du noch verstanden? Gib dir dazu einen Moment... brich das alte Muster, die Antworten gleich wieder in deinem Kopf zu suchen. Nimm wahr... fühle mit deinem Herzen... du hast es gerade befreit. Was möchte es dir sagen, Thomas? ...Was verstehst du jetzt? ...Verbinde es mit dem, weswegen du hier bist.
K: (Pause) Warum ich diese Mauer baue. Warum Nähe so bedrohlich wirkt. Es ist diese... diese Angst vor Entblössung. Vor Demütigung. Davor, wieder so ausgeliefert zu sein, wenn ich mich öffne, wenn ich mich verletzlich zeige. Sex... Zärtlichkeit... das ist ja totale Verletzlichkeit. Und mein Vater... der, der mich schützen sollte, hat mich verraten und blossgestellt. Kein Wunder, dass ich niemandem mehr traue, wenn es eng wird, dass ich dichtmache.
T: Genau! Du hast es durchschaut, gratuliere! Dein System hat gelernt: "Nähe = Gefahr, Blossstellung, Schmerz". Diese Erfahrung hat sich tief eingebrannt. Diese unterdrückte Wut endlich zu befreien, war ein erster, wichtiger Schritt, um diese alte Energie zu lösen. Doch dieser alte Fluch bestimmt dich jetzt nicht mehr. Du hast ihn gebrochen... ihm seine Kraft geraubt... sie kanalisiert und... (grinsend) ...du hast ihn regelrecht verprügelt ...nach allen Regeln der Kunst!
K: (Ein lauter, herzerfrischender Lacher) Es tut mir so Leid um deinen Sessel!
T: Das muss es nicht. Ich habe dir gesagt es ist ok. Was ist schon ein Sessel im Vergleich zu deiner Freiheit und einer gesunden Beziehung mit deiner Freundin... zur Liebe, die jetzt möglich wird!
K: (Ein weiteres, herzerwärmendes Lachen)
T: Genau so, Thomas... genau so! Das ist die Energie, mit der wir jetzt arbeiten wollen! Jetzt werden wir zusammen schauen, wie du damit neue, gesündere Muster etablieren kannst. Bist du dabei? Magst du noch, oder möchtest du lieber ein anderes Mal weiter machen?
K: Nein, jetzt bin ich hier. Ich will diesen Moment nutzen!
Sektion 7: Der Weg nach vorn
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Erklärung der Technik:
Mittels Zukunftsvisualisierung ("Future Pacing") verankert der Klient das neue Verständnis und die gewünschte Veränderung. Konkrete Handlungsschritte werden erarbeitet, um die Beziehung zur Partnerin zu verbessern und den Umgang mit dem Vater zu transformieren.
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Psychologische Begründung (westlich):
Future Pacing ist eine Technik aus dem NLP und der Verhaltenstherapie, die hilft, neue Verhaltensweisen mental zu verankern und die Selbstwirksamkeit zu stärken. Die Entwicklung konkreter Schritte fördert die Umsetzung und Stabilisierung der Veränderung im Alltag.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Yoga und Taoismus wird die bewusste Ausrichtung auf die Zukunft als Manifestation der inneren Absicht ("Sankalpa") verstanden. Die Visualisierung neuer Verhaltensweisen unterstützt die Harmonisierung von Geist und Handlung und fördert das Fliessen im Einklang mit dem "Dao". Die bewusste Gestaltung des Lebens ist ein Ausdruck von "Karma Yoga".
Teil 1: Freundin – Eine Brücke der Ehrlichkeit bauen
T: Alles klar. Du gefällst mir. Ein Krieger des Herzens... mutig und entschlossen!
K: (Lächelt verwegen aber sichtlich geschmeichelt)
T: Gut, dann stell dir bitte vor, wenn du nach unserer Sitzung nach Hause zurückkehrst. Wirst du deiner Freundin von unserer heutigen... "Abenteuer", erzählen?
K: (Ein leichtes Lächeln auf den Lippen) Ja, ich denke schon. Sie merkt ja eh immer, wenn etwas anders ist... und fragt dann sowieso nach, manchmal ganz schön direkt… (grinsend) so ähnlich wie du. Aber jetzt… ja, jetzt habe ich das Gefühl, ich möchte ihr davon erzählen. Es fühlt sich irgendwie…richtig an, sie einzuweihen.
T: Das ist ein wertvoller Schritt, Thomas. Indem du ihr von davon berichtest, öffnest du ihr einen Einblick in deine Gefühlswelt. Das kann ihr helfen, dein Verhalten... die Muster zu verstehen, die manchmal zwischen euch stehen, ohne es persönlich zu nehmen.
K: (Nickt langsam) Ja, genau das ist es. Ich will nicht, dass sie sich immer fragt, was los ist oder denkt, sie ist schuld. Das tut mir weh. Jetzt kann ich ihr vielleicht besser erklären: "Das hat mit mir zu tun, mit dieser alten Sache. Aber ich will das ändern, weil ich mit dir zusammen sein will."
T: Wow! Das ist eine sehr klare und verbindende Botschaft. Sie wird deine Ehrlichkeit und deinen Mut, dich zu öffnen, sicher wertschätzen. Es kann eure Verbindung auf einer tiefen Ebene festigen.
K: (Nachdenklich) Ja… es fühlt sich so an, als wäre es wichtig, ehrlich zu sein. Nicht nur für sie, sondern auch für mich.
T: Absolut. Und nun stell dir die nächste Situation vor: Du bist mit deiner Freundin zusammen, ihr seid euch nah. Und dann meldet sich diese alte Angst, vielleicht als ein Gefühl der Enge oder der Wunsch, dich zurückzuziehen. Doch dieses Mal erkennst du dieses Gefühl als ein Echo der Vergangenheit. Was machst du in diesem Moment konkret?
K: (Schliesst die Augen, atmet etwas tiefer) Ok… da ist diese Anspannung… dieses innere "Weg hier!". Aber ich sage mir innerlich: "Das ist nicht jetzt. Das war früher." Ich versuche, bewusst auszuatmen... mich zu entspannen. Und dann… dann versuche ich, meine Aufmerksamkeit ganz auf sie zu richten... ihre Nähe zu spüren.
T: Sehr gut. Du bleibst im gegenwärtigen Moment. Doch was tust du mit der Angst selbst? Akzeptierst du sie einfach? Oder sprichst du sie vielleicht sogar an?
K: Ich lasse sie da sein. Sie darf da sein, aber sie soll nicht die Kontrolle übernehmen.
T: Und wie willst du das erreichen? ... Ich meine, wenn du sie einfach da stehen lässt. Meinst du, das wird reichen, das sie weggeht? Was, wenn nicht? Gehe noch einmal in dich... in dein Herz... frage den stolzen inneren Ritter, der gerade für dich gekämpft hat, als ginge es um Leben oder Tod. Was meint er dazu?
K: (Pause, stirnrunzelnd) Du hast recht... er meint, ich soll kämpfen... ich meine... ich soll es ansprechen.
T: Sehr gut. Lass uns das gleich zusammen versuchen. Wie konkret, würdest du deine Angst... nein! Sorry Thomas, das ist nicht mehr das richtige Wort. Nennen wir es nicht mehr so... nennen wir es ab jetzt Unsicherheit. Wie konkret, wirst du sie ansprechen, diese Unsicherheit, wenn sie hochkommt?
K: (Schliesst die Augen. Nach einem Moment der Stille) Vielleicht etwas so, wie... "Gerade war da kurz ein komisches Gefühl… diese alte Unsicherheit... du weisst schon... Papa Schlumpf ist wieder da. Aber das hat nichts mit dir zu tun." Und dann… ja, dann würde ich vielleicht ihre Hand nehmen... die Verbindung zu ihr suchen.
T: Das ist ein sehr bewusster und mutiger Schritt, Thomas. Du benennst dein Gefühl, ohne dich davon überwältigen zu lassen, und du entscheidest dich aktiv für die Nähe. Wie fühlt sich diese Vorstellung für dich an?
K: (Ein ruhiges Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus) Es fühlt sich…erleichternd an. Nicht mehr so hilflos. Und… es gibt Hoffnung, dass es anders werden kann.
T: Ich versichere dir Thomas... wenn du das tust... dann wird es anders. Wenn du deine Freundin in diesen Momenten miteinbeziehst... ihr die Chance gibst zu verstehen... dann kann es nur besser werden. Ich bin mir sicher, sie hilft dir dabei.
K: (Seufzt)
T: Schau mal bitte! Wer von euch beiden hat dich heute zu mir geschickt?
K: (Sofort wach) Sie!
T: Siehst du! Ist das nicht Beweis genug, für ihre Liebe... dass ihr euere Beziehung wirklich am Herzen liegt?
K: (Erleichtert) Doch... das ist es.
Teil 2: Vater – Gefühle transformieren
T: Gut, Thomas, wenden wir uns nun deinem Vater zu. Ein sensibles Thema, ich weiss. Aber lass uns auch hier den Fokus darauf legen, was für dich eine positive Veränderung bedeuten würde. Nicht unbedingt eine Veränderung seines Verhaltens... sondern eine Veränderung in deinem Erleben der Beziehung zu ihm. Was kommt dir in den Sinn, wenn du darüber nachdenkst?
K: (Zögert, die Anspannung kehrt leicht zurück) Positive Veränderung… Bei ihm? Daran glaube ich nicht. Das ist meine ehrliche Meinung. Aber… in meinem Erleben? Ich verstehe das nicht ganz. Was meinst du damit?
T: Es bedeutet, wir können andere Menschen nicht ändern. Das geschieht nur, wenn sie selbst die Veränderung wollen. Aber... und das ist es, was hier zählt... wir können immer entscheiden, was wir mit unseren Gefühlen und Reaktionen machen... wie wir damit umgehen. In diesem Punkt sind wir frei, egal womit uns das Aussen konfrontiert. Was wäre aus dieser Sichtweise eine positive Veränderung in Bezug auf deinen Vater? Was würdest du dir für dich wünschen, in Bezug auf diese Beziehung?
K: (Denkt angestrengt nach, fährt sich mit der Hand über die Stirn)
T: Stopp! Bitte entschuldige, dass ich dich unterbreche. Erkennst du das alte Muster... Kopf vor Herz? Mach das bitte anders, du hast mir jetzt schon ein paar Mal bewiesen, das du es besser kannst. Wenn es um wichtige Dinge geht... um Dinge wo starke Emotionen im Spiel sind... immer erst das Herz, dann der Kopf! Schreib dir das doch an den Spiegel zu Hause: "Herz vor Kopf!"
K: (Erschöpft) Sorry.
T: Kein Problem. Ich weiss, du bist langsam müde. Du wolltest ja alles auf einmal machen. Die Meisten, die mit solchen Problemen wie deine zu mir kommen, machen das in zwei bis drei Sitzungen. Aber keine Sorge, wir sind gleich fertig, versprochen. Also Atme nochmal durch (öffne das Fenster) ...frische Luft... frische Energie, das gibt dir Kraft. Dann spür in dich und sage mir nochmal: Was würdest du dir für dich wünschen, in Bezug auf diese Beziehung mit deinem Vater?
K: Ich wünschte… es würde sich nicht mehr so schwer anfühlen, wenn ich an ihn denke. Dass die alten Verletzungen nicht immer gleich hochkommen. Dass ich…innerlich ruhiger wäre, wenn sein Name fällt oder ich ihn sehe. Eine positive Veränderung wäre für mich, wenn es mich nicht mehr so stark beeinflusst.
T: "Innerlich ruhiger werden." Das ist ein nachvollziehbares Ziel, Thomas. Es geht um deinen inneren Frieden. Doch ich höre da auch wieder diesen inneren Konflikt: Der Kopf, der warnt, und das Herz... es sehnt sich nach Heilung. Wie können wir dem Bedürfnis deines Herzens nach Frieden Raum geben? Was wäre ein erster, vorsichtiger Schritt, um innere Ruhe in Bezug auf dieses Thema zu finden?
K: (Die Anspannung scheint etwas nachzulassen, er sucht nach Worten) Okay… also nicht versuchen, ihn zu ändern… sondern wie ich damit umgehe, richtig?
T: Richtig! Welche Handlung könntest du setzen, die ganz allein für dich ist, die dir erlaubt, deine Gefühle in Bezug auf deinen Vater zu verarbeiten und vielleicht ein Stück inneren Abstand zu gewinnen, in einem absolut sicheren Rahmen?
K: Keine Ahnung wie das gehen soll? Kannst du mir helfen.
T: Wow, Thomas... du überraschst mich heute schon zum... ich weiss gar nicht! Du suchst aktiv um Hilfe, aus eigener Initiative! Natürlich helfe ich dir. Lass mich kurz nachdenken... (Pause) ...was hältst du von der Idee einen Brief zu schreiben?
K: Einen Brief? An wen?
T: An deinen Vater!
K: (Sichtlich nervös) An meinen Vater?
T: Ja, aber einen, den du nie absendest. Einen, in dem du der Nervosität, die du gerade spürst Ausdruck gibst... zusammen mit all dem anderen Müll, der dabei vielleicht noch hochkommt. Einfach alles rausschreiben... was du denkst ... was du fühlst... genauso wie vorher mit dem Sessel, nur in abgeschwächter Form. Verstehst du, was ich meine?
K: (Sichtlich erleichtert) Ja, ich verstehe... ja, das kann ich tun! Ich meine... wenn du meinst das es hilft?
T: Dieser Brief. Er kann ein sehr heilsames Werkzeug sein, um innere Veränderungen anzustossen. Er erlaubt dir, all die aufgestauten Gefühle – die Wut, die Enttäuschung, die Trauer – auszudrücken, ohne dich verletzlich zu fühlen. Es ist ein Weg, deinem Herzen eine Stimme zu geben, während dein Kopf sich sicher fühlen kann. Wie fühlt es sich an, wenn du es so betrachtest?
K: (Atmet durch) Es fühlt sich… gut an. Ich denke, es könnte mir helfen.
T: Das wird es! Und deiner Freundin... ihr gibst du damit ein weiteres deutliches Zeichen, das du es ernst meinst mit deiner Verwandlung. Vielleicht erlaubst du ihr sogar, den Brief zu lesen... und dann, macht ein kleines Ritual, verbrennt ihn im Zeichen eurer Liebe. Auf das die Energie darin sich ins Positive wandle und tausendfach zu euch zurückkehre. Was meinst du dazu?
K: Das mit dem verbrennen gefällt mir! ... Aber das mit dem Lesen... ich weiss nicht.
T: Denke darüber nach, wenn du den Brief geschrieben hast. Denn ich glaube, für heute ist es mehr als genug! Ich könnte jetzt wirklich einen starken Kaffee vertragen.
K: Uff! (grosse Erleichterung). Ja, Kaffee, das tönt gut! Aber zuerst Toilette!
Sektion 8: Abschied und Ausblick
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Erklärung der Technik:
Am Ende der Sitzung wird Raum für Reflexion und emotionale Stabilisierung geschaffen. Der Klient entscheidet, ob er weitere Unterstützung benötigt oder die nächsten Schritte selbstständig gehen möchte. Ein positiver Abschluss stärkt das Vertrauen in den eigenen Heilungsprozess.
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Psychologische Begründung (westlich):
Ein strukturierter Abschluss ist wichtig für die Konsolidierung der Therapieerfolge und die Förderung der Autonomie. Die Selbstreflexion unterstützt die Selbstwirksamkeit und die nachhaltige Veränderung. Die Möglichkeit zur weiteren Kontaktaufnahme gibt Sicherheit und fördert die therapeutische Allianz.
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Spirituell-psychologische Begründung (fernöstlich):
Im Zen und Yoga ist der bewusste Abschluss eines Prozesses Teil des "Loslassens" und der "Nicht-Anhaftung". Die Entscheidung, den Weg selbstständig weiterzugehen, entspricht dem Prinzip der Selbstverantwortung und des "Moksha". Die offene Tür symbolisiert die fortwährende Einladung zur Rückkehr und zum Wachstum.
T: (Später beim Kaffee) Wie fühlst du dich jetzt, am Ende unserer Sitzung?
K: (Wirkt erschöpft, aber klar und aufgeräumt) Überwältigt. Überrascht, was da aus mir rausgebrochen ist. Aber auch... erleichtert. Zuversichtlich. Ich habe irgendwie neuen Mut gefasst. Es ist.. ich habe das Gefühl, mich selbst zum ersten Mal wirklich zu verstehen.
T: Das ist ein riesiger Schritt. Fühlst du, dass du mich im Moment noch brauchst, oder möchtest du das jetzt erstmal sacken lassen und die nächsten Schritte alleine gehen?
K: (Entschlossen) Nein, ich denke vorerst nicht. Das war intensiv. Ich glaube, ich habe jetzt erstmal genug Werkzeug und Klarheit. Aber wenn was ist, melde ich mich auf jeden Fall. Danke! Wirklich!
T: Sehr gerne, Thomas. Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg. Die Tür steht jederzeit offen.
Wichtiger Hinweis:
Die hier geschilderte Sitzung mit Thomas war aussergewöhnlich intensiv und führte zu einem sehr schnellen Durchbruch. Solche tiefgreifenden emotionalen Prozesse und Katharsis-Momente sind im Coaching möglich, aber eine ganz grosse Seltenheit. Und wenn sie geschehen, immer nur im sicheren Rahmen und im Einverständnis des Klienten. Ich bin psychosomatisch geschult und ein erfahrener Kampfsportler. Ich kann die Signale lesen und Kräfte, wie die von Thomas nötigenfalls auch richtig handhaben.
In der Regel ist das Coaching, so wie ich es praktiziere, aber ein sanfterer, schrittweiser Prozess der Selbsterkundung und Bewusstwerdung. Wir folgen behutsam den Spuren deiner inneren Landschaft, lauschen der Stimme deines Herzens und finden gemeinsam Wege, wie du dein Leben authentischer und erfüllter gestalten kannst – in deinem ganz eigenen Tempo. Es geht darum, einen sicheren Raum zu schaffen, in dem du dich öffnen und wachsen kannst, ohne Druck oder Erwartung einer dramatischen "Explosion".
Ich hoffe, das hilft dir die Wogen zu glätten, solltest du dich erschrocken haben. Ansonsten: "Ruf mich an und sprich es an." ;-)